Physiker des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen und der Berliner Humboldt-Universität zusammen mit dem Deutschen Elektronensynchotron (DESY) in Zeuthen versuchen mit äußerst präzisen Rechnungen fundamentale Naturgesetze neu zu schreiben. Deshalb haben sie sich vor vier Jahren zum Sonderforschungsbereich Transregio 9 (SFB TR9) „Computergestützte Theoretische Teilchenphysik“ zusammengeschlossen.
„Jede physikalische Theorie ist vorläufig“, sagt Professor Johann Kühn vom Institut für Theoretische Physik des KIT. „Unsere Vorstellung von den kleinsten Teilchen und den Kräften zwischen ihnen, das Standardmodell, hat lose Enden“, stellt der Sprecher des SFB TR9 fest. Es kann die Bedingungen unmittelbar nach dem Urknall nicht beschreiben und auch nicht erklären, warum heute praktisch nur Materie im Universum existiert und keine Antimaterie. „Wir wollen mit unseren Rechnungen Präzisionsvorhersagen für Experimente an neuen Teilchenbeschleunigern machen.“ So sollen kleinste Abweichungen vom Standardmodell gefunden werden, die den Weg zu einer umfassenderen Theorie weisen könnten. Ähnlich wie die präzise Bestimmung von Sternpositionen bei einer Sonnenfinsternis im Jahr 1919 zeigte, dass die Sonne das Sternlicht geringfügig ablenkt und damit Einsteins Relativitätstheorie bewies. Kühn erwartet, dass die Physiker innerhalb der kommenden fünf Jahre über die Grenzen des Standardmodells hinaus blicken werden.
Den meisten Menschen erscheinen Einsteins Formeln unendlich kompliziert. Heute arbeiten theoretische Physiker mit viel komplexeren Gleichungen, die selbst für Computer kaum beherrschbar sind. Die Forscher der SFB TR9 haben mit Hilfe von Parallelrechnern und eigens entwickelten Programmen die Gleichungen des Standardmodells in den Griff bekommen. Der Schwerpunkt der Karlsruher Physiker liegt bei algebraischen Berechnungen der Kräfte zwischen den Elementarteilchen, die Berliner Forscher simulieren ihre Bewegungen, während sich die Aachener Forscher auf Umwandlungen von Quarks, den Bausteinen der Atomkerne, konzentrieren. Diese theoretischen Arbeiten seien „absolute Voraussetzung“ für die Interpretation der Messungen an neuen Teilchenbeschleunigern, sagt Kühn.
Weitere Informationen: SFB/TR 9